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Anwaltskanzlei Winkler

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht aus juristischer Sicht


1. Patientenverfügung - was ist das?

Die heutige Gesetzes- und Rechtslage hält drei unterschiedliche Möglichkeiten bereit, für den Fall, dass man nicht mehr über sich entscheiden kann, vorzusorgen. Auf diese Weise soll das grundlegende Prinzip der Selbstbestimmung auch in diesen Situationen noch wirken. Diese drei Möglichkeiten sind:
  1. Betreuungsverfügung
  2. Vorsorgevollmacht
  3. Patientenverfügung (Patiententestament)
Die beiden ersten Maßnahmen legen in erster Linie fest, wer Entscheidungen anstelle des hierzu Unfähigen treffen soll, die dritte Maßnahme soll für die Entscheidungen inhaltliche Maßstäbe vorgeben. Alle Verfügungen können, wenn erforderlich, in einem Schriftstück vereinigt werden.

  1. Betreuungsverfügung (§ 1897 Absatz 4 BGB)
  2. Inhalt: Wer als Betreuer eingesetzt werden soll bzw. wer nicht; Einzelheiten, wie die Betreuung geführt werden soll (z.B., dass man so lange wie möglich zu Hause gepflegt werden will usw.).
    Form: formlos möglich, Schriftform empfehlenswert.
    Verbindlichkeit: hoch; jederzeit widerrufbar.
    Besonderheit: Betreuer ist nicht eine fremde Person, wird gleichwohl überwacht.


  3. Vorsorgevollmacht (§§ 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB)
  4. Inhalt: Bestellung eines Vertreters für die Zeit eigener Entscheidungsunfähigkeit; Umfang der Befugnisse frei bestimmbar; Beginn der Befugnisse kann von Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig gemacht werden
    Form: außer bei Grundstücksfragen formlos möglich aber:
    Soll der Vertreter auch über die Zwangsunterbringung oder medizinische Maßnahmen entscheiden dürfen, die die Gefahr eröffnen, dass der Vertretene stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet, oder für Behandlungsabbrüche muss die Vorsorgevollmacht mindestens schriftlich (nicht undbedingt handschriftlich) verfaßt sein und ausdrücklich anordnen, dass diese Befugnis bestehen soll.
    Verbindlichkeit: hoch; jederzeit widerrufbar.
    Besonderheit: Vertreter wird nur sehr begrenzt vom Vormundschaftsgericht überwacht; Überwachung auch bei o.g. medizinischen Maßnahmen.


  5. Patiententestament / Patientenverfügung (gesetzlich nicht geregelt)
  6. Inhalt: Anordnungen zur zukünftigen medizinischen Behandlung im Falle der Unfähigkeit, das Selbstbestimmungsrecht wahrzunehmen
    Form: formlos möglich, Schriftform empfehlenswert, evtl. Zeugen hinzuziehen, .die mit unterschreiben und sich zur Geschäftsfähigkeit äußern; für Feststellung der Geschäftsfähigkeit im Zeitpunkt der Niederlegung ist notarielle Beurkundung oder v.a. ärztliches Attest eindeutig vorzuziehen.
    Verbindlichkeit: seit kurzem ist das Patiententestament als grundsätzlich verbindlich anerkannt; nur wenn sich ergibt, der Betroffene habe im Nachhinein seine Meinung geändert, darf von den ursprünglich getroffenen Anordnungen abgewichen werden; jederzeit widerrufbar.
    Besonderheit: gesetzlich nicht geregelt.


2. Die Funktion von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung bei Behandlungsabbrüchen

  1. Ist ein Behandlungsabbruch zulässig ?
  2. Seit der grundlegenden Entscheidung des BGH in Strafsachen v. 13.9.1994 (NJW 1995, 204) ist ein Behandlungsabbruch zulässig (nicht strafbar), wenn der Sterbevorgang bereits eingesetzt hat (Grundleiden irreversibel, tödlicher Verlauf, Tod wird in kurzer Zeit eintreten). Unter bestimmten Bedingungen ist der Abbruch ausnahmsweise zulässig, wenn der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat.

  3. Wann ist ein Behandlungsabbruch vor Einsetzen des Sterbevorganges zulässig?
  4. Nach den Kriterien der o.g. Entscheidung eines Strafsenats beim BGH und dem kürzlich ergangenen Beschluß des zuständigen Zivilsenates beim BGH (NJW 2003, 1588) gelten folgende Voraussetzungen: Krankheit, die einen mit Sicherheit irreversiblen und tödlichen Verlauf angenommen hat Feststellung des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens des Patienten, nicht länger behandelt zu werden Ggfs. Einwilligung des Betreuers/Vertreters und des Vormundschaftsgerichts, wenn der Kranke sich nicht mehr äußern oder seinen Willen nicht mehr frei bestimmen kann Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht bestimmen mit hoher Verbindlichkeit, welche Person über einen Abbruch entscheiden soll. Die Patientenverfügung zur Frage, nach welchen Kriterien diese Entscheidung zu erfolgen hat, ist seit der jüngsten Rechtsprechung ähnlich verbindlich. Noch immer gilt aber: Je “besser” die Verfügung ist, um so eher wird ihr gefolgt. Zur Vermeidung der Strafbarkeit von Arzt und Betreuer muß bei einem Behandlungsabbruch die Zustimmung des Betreuers / wirksam bestellten Vertreters und des Vormundschaftsgerichts eingeholt werden. Ärzte sollten sich die vormundschaftliche Genehmigung unbedingt nachweisen lassen, um nicht zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen und strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt zu sein.
RA Matthias Winkler
Rechtsanwälte Nieber & Winkler
Alt-Moabit 98/99, 10559 Berlin