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Schadensersatz/Naturalrestitution trotz Veräußerung der Sache/Schadensermittlung bei Wertminderung

BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 - III ZR 315/00 (OLG Dresden)

BGB §§ 249 Satz 2, 251 Abs. 1

Zum Anspruch auf Ersatz des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrags und der Wertminderung bei einem beschädigten Hausgrundstück, das nach Schadenseintritt zu einem über dem Verkehrswert in unbeschädigtem Zustand liegenden Preis veräußert worden ist.


Problemstellung:

Die Kl. erwarb 1993 zum Preis von 875.000,00 DM ein Haus, das einige Zeit zuvor durch Verschulden des Bekl. Frostschäden erlitten hatte. Zum Zeitpunkt des Verkaufs schwebten Verhandlungen zwischen Verkäufer und Schädiger über den Schadensersatz. Im Kaufvertrag wurden - unter Ausschluß von Gewährleistungsrechten - die Schäden erwähnt und auf eine spätere interne Regelung zwischen Verkäufer und der nunmehr klagenden Käuferin verwiesen. In dieser weiteren Vereinbarung traten die Verkäufer ihre aus dem Schadensereignis folgenden Ansprüche vor Eintragung der Kl. im Grundbuch an diese ab. Die Kl. verlangt vom bekl. Schädiger nach § 249 S. 2 BGB Reparaturkosten in Höhe von 114.000,00 DM, hilfsweise Ersatz der eingetretenen Wertminderung nach § 251 Abs. 1 BGB. Der Bekl. meint, der Anspruch des Verkäufers auf Naturalrestitution nach § 249 BGB sei durch die Veräußerung untergegangen. Die Abtretung sei daher ins Leere gegangen. Weiterhin habe das Haus unbeschädigt nur einen Wert von 850.000,00 DM gehabt. Wenn der Verkäufer es zu einem höheren Preis - für 875.000,00 DM - anschließend verkaufe, könne er keinen (Wertminderungs-)Schaden geltend machen, den er abtreten könne. Das Berufungsgericht folgte dieser Argumentation und wies die Berufung gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz zurück. Der BGH hob das Berufungsurteil jedoch auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.


Zusammenfassung der Entscheidungsgründe:

Der den vorliegenden Fall entscheidende III. Zivilsenat des BGH schließt sich ausdrücklich der kürzlich veränderten Rechtsprechung des V. Zivilsenates (Urteil vom 04. Mai 2001, V ZR 435/99 = BGHZ 147, 320 = NJ 2002, 90 [bearb. v. Winkler]) an, daß Schadensersatzansprüche, die auf die Reparatur einer beschädigten Sache oder den entsprechenden Geldbetrag zielen (Ansprüche aus § 249 BGB auf Naturalrestitution) bei Veräußerung der Sache jedenfalls dann nicht untergehen, wenn sie spätestens bei Eigentumsübergang an den Erwerber abgetreten werden. Daher kann noch der Erwerber des Hauses vom Schädiger Ersatz der Kosten für die Reparatur der Frostschäden nach § 249 Satz 2 BGB trotz Veräußerung der Sache verlangen.

Auch ein Anspruch nach § 251 Abs. 1 BGB wird vom BGH vorliegend für möglich gehalten. Für einen solchen Anspruch sei die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert zu ersetzen. Bezogen auf den Zeitpunkt der Schädigung wird regelmäßig davon auszugehen sein (...), daß das Vermögen durch die am Grundstück eingetretenen Frost- und Durchfeuchtungsschäden eine Wertminderung erfahren hat (...). Die - mehr oder minder zufällige - anschließende Veräußerung der beschädigen Sache bedarf wegen ihrer schadensrechtlichen Auswirkungen einer wertenden Betrachtung, die über den bloßen Vergleich des Kaufpreises mit dem Verkehrswert des unbeschädigten Vermögensgegenstands hinausgeht. Für die rechtliche Beurteilung macht es z.B. keinen maßgeblichen Unterschied, ob die Parteien eines Kaufvertrages wegen der eingetretenen Wertminderung einen Abschlag auf den Kaufpreis vornehmen, den der Veräußerer sodann nach § 251 Abs. 1 BGB ersetzt verlangt, oder ob der Kaufpreis gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche so bemessen wird, als sei der Kaufgegenstand unbeschädigt. Dann sei die Betrachtung des Vermögens des Veräußerers unvollständig, wenn ohne Berücksichtigung der Abtretung lediglich der Kaufpreis mit dem Verkehrswert des unbeschädigten Hausgrundstücks verglichen wird. Ferner ist zu bedenken, daß ein über den Verkehrswert des Grundstücks hinausgehender Erlös darauf beruhen kann, daß der Veräußerer von vornherein nicht bereit ist, sich mit einem dem Verkehrswert entsprechenden Kaufpreis zu begnügen, oder daß der Käufer ein den Verkehrswert übersteigendes Erwerbsinteresse hat. Diese Gesichtspunkte, die legitimerweise Grundlage einer vertraglichen Regelung sein können, stehen in keinem Zusammenhang zum Schädigungstatbestand und rechtfertigen eine Entlastung des Schädigers nicht (zum Einfluß dieser Gesichtspunkte auf die Anrechnung von Vorteilen vgl. BGHZ 136, 52 56 = NJ 1997, 669 [Leits.]).


Kommentierung

Das Urteil ist von zweifacher Bedeutung. Erstens schließt sich der III. Zivilsenat des BGH der jüngst geänderten Rechtsprechung des V. Zivilsenats an, dass ein Schadensersatzanspruch auf Naturalrestitution gem. § 249 BGB bei Abtretung an den Erwerber nicht mit Veräußerung der unreparierten Sache untergeht. Allerdings führt dies noch immer nicht zu einer einheitlichen Auffassung innerhalb des Gerichts, denn nach wie vor besteht eine Divergenz zur Rechtsprechung des VI. Zivilsenats, der in st. Rspr. davon ausgeht, daß der Anspruch auch dann bestehen bleibt, wenn er nicht mit der veräußerten Sache abgetreten wird.

Zweitens nimmt der BGH mit dem vorliegenden Urteil eine sehr begrüßenswerte Klarstellung zum Verhältnis von Verkehrswert und Wertminderung bei der Schadensermittlung vor. Er betont zu Recht, daß der Schaden subjektiv ermittelt werden muß. Ein Schaden ist nämlich durch einen Vergleich der Vermögenslage des Geschädigten mit und ohne schädigendes Ereignis zu ermitteln. Im vorliegenden Fall war der Schaden möglicherweise in die Preisfindung eingeflossen, denn die Verkäufer hatten behauptet, sie hätten ursprünglich einen höheren Preis verlangt, konnten diesen jedoch gegenüber den Käufern nicht durchsetzen, so daß diese aufgrund ihres ursprünglichen Gebotes das Objekt erwarben. Für das unbeschädigte Haus hätten die Verkäufer demzufolge mehr erhalten können, was nun aufgrund der Beschädigungen nicht glückte. Der Vergleich der Vermögenslagen ergibt somit einen Schaden, obgleich die Verkäufer das beschädigte Objekt über dem Verkehrswert veräußerten. Der BGH weist völlig richtig darauf hin, daß die Frage, ob ein Schaden vorliegt, wertend zu betrachten ist. Den Schaden ausgleichende Vermögenszuflüsse, die mit dem Schadensereignis nichts zu tun haben sondern aufgrund anderer Einflüsse erfolgen (Versicherungsleistung, Geschäftstüchtigkeit des Geschädigten usw.), dürfen bei der Schadensermittlung nicht berücksichtigt werden. Dieser normative Schadensbegriff führt dazu, daß sich der Schädiger nicht auf Kosten des schutzbedürftigen Geschädigten entlasten kann und daß diesem dessen eigene schadensbedingte oder sonstige Anstrengungen zugute kommen. Die Instanzgerichte neigen - wie hier - häufig dazu, dies nicht als gerecht anzusehen. Sie verkennen dabei, daß es Sache des Schädigers und nicht des Geschädigten ist, den Schaden zu ersetzen.

Rechtsanwalt Matthias Winkler, Berlin