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Urteilskommentierungen


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Vollmachtlose Vertretung/Genehmigungsfiktion/Ungerechtfertigte Bereicherung/Treuhandabrede

BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 - V ZR 320/98 (OLG Dresden)

BGB §§ 177, 362 Abs. 2, 607, 812

a) Zahlt der Darlehensgeber des Käufers auf dessen Weisung die Darlehenssumme an den Verkäufer aus, darf dieser nach den ihm vom Darlehensgeber gesetzten Bedingungen aber noch nicht über die Summe verfügen, hat er den Kaufpreis nicht erlangt; das Recht, den Geldbetrag einstweilen innezuhaben und zu nutzen, ist durch eine Leistung des Darlehensgebers erlangt, die ihren Rechtsgrund in der Sicherungsabrede mit dem Verkäufer hat.

b) Die Aufforderung des Vertragspartners an den vollmachtlos vertretenen Teil, sich über die Genehmigung zu erklären, muß nicht auf die Erteilung der Genehmigung gerichtet, sondern kann ergebnisoffen sein.


Problemstellung:

Der Kl. kaufte 1995 von der bekl. Treuhandanstalt ein Grundstück zum Preis von 900.000 DM, wobei diese den Vertrag durch einen vollmachtlosen Vertreter abschloß. Der Kaufpreis wurde von der finanzierenden Bank direkt der Bekl. überwiesen. Entsprechend den Bedingungen des Kaufvertrages unterlag die Bekl. dabei dem Treuhandauftrag, über den Betrag nur Zug um Zug gegen Eintragung einer Grundschuld zugunsten der Bank zu verfügen.

Am 10.2.1997 forderte der Kl. die Bekl. auf, sich zur Genehmigung des Vertrages zu erklären. Am 5.3.1997, also nach Ablauf der zweiwöchigen Frist und Eintritt der Verweigerungsfiktion des § 177 Abs. 2 BGB, wurde die Genehmigung erklärt.

Der Kl. verlangt Rückzahlung des Kaufpreises an ihn, Zug um Zug gegen Herausgabe des Grundstücks. Vor dem OLG war er erfolgreich.

Auf die Revision des Bekl. hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.


Zusammenfassung der Entscheidungsgründe:

Der BGH bestätigt zunächst die Auffassung des OLG, daß der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen sei, da das Handeln des vollmachtlosen Vertreters nicht rechtzeitig genehmigt worden sei. Die Aufforderung des Kl. an die Bekl., sich “über die Genehmigung” des vom vollmachtlosen Vertreter geschlossenen Vertrages “zu erklären”, sei für eine Aufforderung nach § 177 Abs. 2 BGB ausreichend. Bereits der Wortlaut der Vorschrift spreche hierfür. Da zudem die Genehmigung sowohl erteilt als auch verweigert werden könne, dürfe die Aufforderung ebenfalls ergebnisoffen formuliert sein, um die Zweiwochenfrist in Gang zu setzen.

Eine Rückforderung des Kaufpreises durch den Kl. scheitere jedoch möglicherweise daran, daß die Bekl. den Kaufpreis nicht i.S.v. § 812 BGB von der Kl. “erlangt” habe. Die Bekl. durfte entsprechend der Treuhandabrede nur über den Betrag verfügen, wenn die Gläubigerbank durch Eintragung eines Grundpfandrechtes gesichert worden war. Da aufgrund des nichtigen Vertrages die in diesem enthaltene und hierzu vorgesehene Belastungsvollmacht ebenfalls unwirksam war, konnte eine Grundschuld nicht entstehen, selbst wenn sie im Grundbuch eingetragen worden ist. Damit durfte die Bekl. entsprechend der Treuhandabrede nicht über das Geld verfügen. Ihre Verfügungsmacht beschränkte sich auf die Befugnis, das Geld an die Bank zurückzuüberweisen. Allenfalls dies sei “erlangt” und könne herausverlangt werden. Diese Bereicherung sei jedoch nicht durch Leistung des Kl. erfolgt. Rechtsgrund der treuhänderisch gebundenen Zahlung sei die Treuhandabrede zwischen Bank und Bekl. Bis zur Erfüllung der Treuhandbedingung sei der Kredit auch noch nicht valutiert und die Bank könne vom Kl. nicht Rückzahlung verlangen. Dementsprechend sei auch keine Leistung des Kl. anzunehmen. Allenfalls wenn die Grundschuld z.B. durch die Bekl. selbst bestellt worden wäre und somit wirksam entstanden und die Bank gesichert sei, könnte der Kl. Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Löschung dieser Grundschuld verlangen. Dies müsse das OLG noch aufklären.


Kommentierung

Die Anforderungen an eine Aufforderung nach § 177 Abs. 2 BGB waren bislang - soweit ersichtlich - höchstrichterlich nicht geklärt. Daß der BGH diese niedrig ansetzt, überrascht ein wenig. Denn kennt man die strenge Rechtsprechung zu ähnlichen Aufforderungen nach § 326 BGB oder § 634 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1999, VII ZR 456/98, NJ 2000, S. 197 bearb. v. Winkler), die unter anderem mit den einschneidenden Folgen des Fristablaufs nach Zugang der Aufforderung begründet wird, hätte eine ähnliche Strenge an die Formulierung auch bei der hier behandelten Aufforderung über die Genehmigung nahe gelegen. Denn auch bei dieser sind die Folgen des Fristablaufes erheblich und die Parteien müssen sich dessen bewußt werden. Warum das Gericht hier dennoch nicht so streng ist, begründet es kaum und nicht überzeugend. Das Argument, die Genehmigung könne ebenso erteilt wie verweigert werden, trifft auch auf die Aufforderungen nach § 326 oder 634 BGB zu. Auch hier kann der Betroffene der Aufforderung nachkommen oder nicht, eine ergebnisoffene Aufforderung reicht jedoch bekanntlich nicht.

Eine mögliche Erklärung für die hiervon abweichende Auslegung zu § 177 Abs. 2 BGB liefert ein Blick auf § 104 BGB, der für eine ähnliche Genehmigung den gleichen Wortlaut verwendet. Zum Schutz des Minderjährigen ist die Auslegung des BGH angebracht, schnell und eindeutig im Zweifel zu einer Verweigerung der Genehmigung zu kommen. Im Falle des vollmachtlosen Verteters ist der Erklärungsempfänger ausreichend durch die Ansprüche aus § 179 BGB geschützt, so daß gleiche Grundsätze auch hier gelten dürfen. Dennoch sind die unterschiedlichen Maßstäbe für die genannten Aufforderungen nach § 104 und § 177 BGB gegenüber denen der §§ 326 und 634 BGB nur schwer nachvollziehbar.

Auch hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Problematik hält das Urteil Überraschungen bereit. Bislang war die Frage, was “erlangt” wurde, streng dogmatisch zu beantworten. Erlangt war also nie “das Grundstück” oder “der Kaufpreis” sondern immer Eigentum oder Besitz daran oder die Inhaberschaft einer Forderung. Dies sieht der BGH nun offensichtlich anders, wie der erste Leitsatz ausdrücklich zeigt. Damit geht eine der letzten bislang noch bestehenden sicheren Erkenntnisse des Bereicherungsausgleichs verloren. Schon länger ist klar, daß die Auslegung des Begriffs “durch Leistung” weniger vom Leistungsbegriff als von Wertungsgesichtspunkten bestimmt ist. Dies dehnt der BGH nunmehr auch auf die Frage des Erlangten aus. Denn die Bekl. hat aufgrund der Kontogutschrift eine echte Forderung gegen die - von der Gläubigerbank verschiedene - eigene Bank erworben. Daß diese dingliche Rechtsstellung durch die schuldrechtliche und hier unerfüllbare Treuhandabrede gebunden ist, trifft zu, Damit zu begründen, die Bekl. hätte nichts erlangt, heißt aber, sich aber von der bislang herrschenden streng begrifflichen Sicht des Begriffs des Erlangten zu verabschieden.

Diese Änderung der Rechtsprechung verwundert um so mehr, als sie unnötig ist. Der BGH hätte zum gleichen Ergebnis auch allein aufgrund einer wertenden Betrachtung oder sogar begrifflichen Auslegung des Leistungsbegriffs gelangen können. Zwar ist nach herkömmlicher Sicht die Zahlung der Bank sowohl Leistung an den Käufer (Valutierung des Darlehens) als auch Leistung des Käufers (Erfüllung der Kaufpreisverpflichtung). Wie in den Anweisungsfällen kommen daher grundsätzlich nur Kondiktionen zwischen den jeweils Vertragsbeteiligten in Betracht, nicht aber von der Bank gegenüber dem Kaufpreisempfänger (vgl. nur Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 675). Die Fehlerhaftigkeit des Deckungsverhältnisses hätte daher tatsächlich einen Zahlungsanspruch des Käufers gegen den Verkäufer ausgelöst. Dies hätte jedoch de facto eine ungesicherte Auszahlung des Kredits an den Käufer bedeutet, die das Gericht verhindern wollte. Andererseits ist der Wertungsgesichtspunkt zu beachten, daß bei Kondiktionen im Dreipersonenverhältnis nur jeweils dasjenige Insolvenzrisiko desjenigen getragen werden soll, den sich der Leistende ausgesucht hat.

Im vorliegenden Fall beschränkte sich das Risiko der Bank auf eine grundschuldgesicherte Leistung. Hätte das Gericht dem Anspruch des Käufers stattgegeben, hätte sich dieses Risiko stark erhöht, da der Kondiktions- oder Darlehensrückzahlungsanspruch der Bank gegenüber dem Kl. nicht mehr gesichert gewesen wäre. Daher findet die Abweichung der Entscheidung von den üblichen Anweisungsfällen ihre Rechtfertigung im Vorliegen einer gesonderten, Deckungs- und Valutaverhältnis ergänzenden Vereinbarung zwischen Bank und Verkäufer. Damit darf - und muß - ausnahmsweise - “übers Eck” kondiziert werden.

Rechtsanwalt Matthias Winkler, Berlin