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Abstraktes Schuldanerkenntnis/Rückforderung

BGH, Urteil vom 18. Mai 2000 - IX ZR 43/99 (Kammergericht)

BGB §§ 781, 812 Abs. 2

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein abstraktes Schuldanerkenntnis wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert werden kann.


Problemstellung:

Der kl. Rechtsanwalt hatte sich von seiner bekl. Mandantin, für die er längere Zeit im Rahmen einer Erbstreitigkeit tätig war, ein Schuldanerkenntnis wegen seiner Honorarforderungen erteilen lassen. Hierin wurde festgelegt, daß die Bekl. dem Kl. 144.486 DM schulde. Mit seiner Klage verlangte der Kl. aus dem Anerkenntnis Zahlung dieses Betrages. Die Bekl. wandte hiergegen ein, die den vorausgegangenen Honorarrechnungen zugrundeliegenden Gegenstandswerte seien unzutreffend.

Vor dem Landgericht hatte der Kl. Erfolg, das KG wies die Klage dagegen bis auf einen Teilbetrag von rund 30.000 DM weitgehend ab.

Auf die Revision der Bekl. hat der BGH das Urteil des KG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.


Zusammenfassung der Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hatte entschieden, die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung sei ein abstraktes Schuldanerkenntnis. Der Kl. könne hieraus klagen und müsse nicht auf seine Honorarrechnungen zurückkgreifen. Einwendungen seien ausgeschlossen.

Diese Auffassung teilt der BGH nicht. Zwar sei ein abstraktes Schuldanerkenntnis anzunehmen, dieses sei jedoch grundsätzlich kondizierbar, wenn die Rechtsbeziehungen, die zur Abgabe des Anerkenntnisses geführt haben, den anerkannten Leistungsanspruch nicht rechtfertigen. Anderes gelte nur, wenn die Parteien mit dem Anerkenntnisvertrag einen Streit oder eine Unsicherheit über den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses beenden und ohne Rücksicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des anerkannten Anspruches eine klare Rechtslage schaffen wollen. Dies setze zumindest eine subjektive Ungewißheit der Parteien über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte voraus, die im vorliegenden Fall nicht erkennbar sei. Die Einwendung der Bekl., das Schuldanerkenntnis beruhe auf überhöhten Honorarrechnungen, sei daher im Wege der Bereicherungseinrede (§ 821 BGB) zu beachten und das Berufungsgericht müsse prüfen, ob sie zu Recht erhoben worden sei.


Kommentierung

Das Urteil enthält kaum Neues. Ein Schuldanerkenntnis kann abstrakt sein und einen unabhängigen, neuen Schuldgrund schaffen. Ihm liegt jedoch eine Rechtsgrundabrede zugrunde, die besagt, daß es aufgrund eines anderen, bereits bestehenden Schuldgrundes abgegeben wird. Besteht dieser nicht, kann das Schuldanerkenntnis mangels causa im Wege ungerechtfertigter Bereicherung herausverlangt werden. Sinn des abstrakten Schuldanerkenntnisses ist daher die Herbeiführung einer Beweislastumkehr. Nicht mehr der Gläubiger muß das Bestehen sondern der Schuldner das Nichtbestehen der Schuld vortragen und beweisen. Noch unangenehmer ist für den Schuldner das - hier nicht vorliegende - deklaratorische (oder genauer: kausale) Schuldanerkenntnis, das keine neue Schuld schafft sondern die alte verändert. Weil es regelmäßig auf den Ausschluß von Einwendungen gerichtet ist, kann es nicht kondiziert werden. Diese Rechtslage ist seit langem bekannt.

Aufmerksamkeit verdient das vorliegende Urteil aber aus folgendem Grund: Erneut bestätigt das Gericht, daß auch die Kondiktion eines abstrakten Schuldanerkenntnisses ausgeschlossen sein kann, wenn mit dem Anerkenntnisvertrag die Beteiligten nicht nur einen neuen Schuldgrund schaffen sondern wie beim kausalen Anerkenntnis eine Unklarheit beseitigen wollten, also ein Einwendungsausschluß beabsichtigt war. Daß auch das abstrakte Schuldanerkenntnis für den Schuldner die Gefahr bringt, mit Einwendungen ausgeschlossen zu sein, wird oft übersehen. Der Unterschied zwischen abstraktem (konsitutivem) und deklaratorischen (kausalen) Schuldanerkenntnis besteht nämlich nicht darin, daß das eine kondizierbar und das andere nicht kondizierbar ist, sondern darin, daß bei dem einem eine selbständige Schuld geschaffen wird, bei dem anderen nicht. Da das abstrakte Anerkenntnis daran zu erkennen ist, daß es auf den Schuldgrund nicht oder kaum Bezug nimmt, wird es jedoch in aller Regel kondizierbar sein. Denn wenn die Parteien einen Einwendungsausschluß beabsichtigen, wird dies meistens in dem Anerkenntnis zum Ausdruck gebracht. Und diese Bezugnahme auf den Schuldgrund führt dann regelmäßig zur Annahme eines - nie kondizierbaren - kausalen Anerkenntnisses.

Rechtsanwalt Matthias Winkler, Berlin