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Wohnraummiete/Betriebskostenabrechnung/Rechnungsdaten

Kammergericht, Beschluß vom 28. Mai 1998 - 8 RE-Miet 4877/97 (LG Berlin)

BGB § 259, MHG § 4

1. Bei einer Abrechnung über Betriebskostenvorauszahlungen im Wohnraummietverhältnis ist zur Herbeiführung der Fälligkeit einer Nachforderung die Angabe von Rechnungsdaten in der Regel nicht erforderlich.

2. Anlaß zu Erläuterungen einer Betriebskostenabrechnung, die über die in der Entscheidung des BGH vom 23.11.1981 - VIII ZR 298/80 - genannten Anforderungen hinausgehen, kann nur bestehen, wenn sich im Einzelfall aus besonderer Abrede oder aus der besonderen Ausgestaltung des Mietverhältnisses ein entsprechendes Bedürfnis ergibt. (Leitsätze des Bearbeiters)


Problemstellung:

Die Kl., Vermieter einer Wohnung, forderten aufgrund von Betriebskostenabrechnungen von dem bekl. Mieter Nachzahlungen. Das AG wies die Kl. mit der Begründung ab, die Abrechnungen seien unzureichend, da zu den Einzelposten keine Rechnungsdaten aufgeführt seien. Die Nachforderungen seien daher nicht fällig. Dem wollte die 64. ZK des LG Berlin folgen und legte - auch angesichts der Tatsache, daß die Berliner Mietberufungskammern insofern unterschiedliche Auffassungen vertreten - dem KG folgende Rechtsfrage zum Rechtsentscheid vor: Bedarf eine Betriebskostenabrechnung zu ihrer Wirksamkeit der Angabe der jeweiligen Rechnungsdaten ? Das KG erließ keinen Rechtsentscheid, da es die Vorlegung für unzulässig hielt. Im übrigen vertrat es die aus den Leitsätzen ersichtliche Rechtsauffassung.


Zusammenfassung der Entscheidungsgründe:

Das KG lehnte den Erlaß eines Rechtsentsheides ab, da die vorgelegte Frage weder für den zugrundeliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich, noch von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Das LG habe nicht geprüft, ob Nebenkostenvorauszahlungen zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden seien, und auch nicht, ob der Vermieter - wie von ihm behauptet - in Anlagen zur Abrechnung die umstrittenen Rechnungsdaten angegeben habe. In beiden Fällen komme es auf die vorgelegte Frage nicht an, da im ersten Nachzahlungen überhaupt nicht und im zweiten ohne weiteres verlangt werden könnten.

Darüberhinaus sei die Rechtsfrage bereits durch den BGH entschieden. Die in dessen Urteil vom 23.11.1981 (VIII ZR 298/80, NJW 1982, 573 = WuM 1982, 132) aufgeführten, vom Vermieter bei der Abrechnung mitzuteilenden Informationen seien nicht als Mindestanforderungen zu verstehen, welche die Instanzrechtsprechung beliebig verschärfen könne, sondern als Regelanforderung. Ausreichend für eine korrekte Betriebskostenabrechnung sei daher grundsätzlich:

- eine Zusammenstellung der Gesamtkosten

- die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel

- die Berechnung des Anteils des Mieters

- der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters

Bereits das erste Kriterium mache deutlich, daß nicht einmal die Einzelposten aufgeführt werden müßten sondern lediglich die Summen der einzelnen Kostenarten. Dies reiche für eine Nachvollziehbarkeit der Abrechnung i.S.v. § 259 BGB aus. Der Mieter müsse bei Zweifeln in die Unterlagen des Vermieters Einsicht nehmen. Nur in Sonderfällen, in denen z.B. von angefallenen Kosten nur Anteile umgelegt werden könnten (v.a. bei Mischobjekten mit Gewerbeanteil oder Gesamtkosten für mehrere Objekte, wenn nur für eines eine Abrechnung erstellt wird), seien zusätzliche Erläuterungen geboten. Die Ansicht des LG, die vorgelegte Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung, da die Entscheidung des BGH nur Mindestanforderungen nenne, sei daher falsch und ein Rechtsentscheid unter diesem Gesichtspunkt unzulässig. Die Frage könne im Sinne des LG nur durch eine Divergenzvorlage geklärt werden.


Kommentierung:

Die Entscheidung des KG hat, da ein Rechtsentscheid nicht erging, keine Bindungswirkung. Die Rechtslage in Berlin dürfte allerdings im wesentlichen geklärt sein, denn die Berufungskammern des LG, die bislang eine abweichende Ansicht vertraten, haben sich der Ansicht des KG angeschlossen und ihre anderslautende Rechtsprechung aufgegeben (LG Berlin, U. v. 29.9.1998, Az.: 64 S 166/97, GE 1998, 1339 sowie U. v. 19.10.1998, Az.: 67 S 279/97, zit. nach MM 1998, 406). Gleiches gilt für Brandenburg, denn das OLG hat in einem Beschluß zur BetrKostUV der Ansicht des KG zugestimmt (neg. RE v. 15. Juli 1998, Az.: 3 UH 54/98, GE 1998, 1271). Daher dürften Abrechnungen ohne Angabe der Rechnungsdaten in Zukunft in Berlin und Brandenburg von den Gerichten als ausreichend akzeptiert werden. Lediglich für Abrechnungen im Sozialen Wohnungsbau wird z.T. unter Berufung auf die Sondervorschrift des § 10 Abs. 1 S. 2 WoBindG noch etwas anderes vertreten (LG Berlin, U.v. 8.9.1998, Az.: 64 S 547/96, GE 1998, 1277).

Ganz überzeugend ist der Beschluß des KG allerdings nicht. Sieht man sich die herangezogene Rechtsprechung des BGH genauer an, fällt auf, daß diese zur Geschäftsraummiete erging. Auch wenn der BGH u.a. Kommentare zu § 4 MHG zitiert, ist nicht selbstverständlich, daß für Wohraummietverhältnisse dasselbe gilt. Für solche gibt es Sondervorschriften (§ 4 MHG und §§ 10 WoBindG/20 NMV), auf die das KG nicht eingeht. Nun enthält zwar § 4 I 2 MHG gegenüber der Generalnorm § 259 BGB keine ausdrücklich anderen Anforderungen (“Über die Vorauszahlungen ist jährlich abzurechnen”). Gleichwohl könnte man, da für die Frage der Nachvollziehbarkeit einer Abrechnung auf den “durchschnittlichen Mieter” abzustellen ist, auch mit einigem Recht die Auffassung vertreten, daß in Wohnraummietverhältnissen höhere Anforderungen zu stellen sind als bei der Geschäftsraummiete. Denn bei letzterer ist regelmäßig mit gewandteren und durchsetzungsfähigeren Mietern zu rechnen. Jeder, der schon einmal in der Beratungspraxis Betriebskostenabrechnungen überprüft hat, weiß auch, daß die bloße Angabe von Summen für einzelne Kostenarten für eine wirkliche Kontrolle der Richtigkeit unzureichend ist. Nur auffallende Kostensprünge sind dann verdächtig, diese können aber auf allen möglichen Ursachen beruhen (z.B. bei einer Abrechnung nach dem “Abflußprinzip” darauf, daß Nachzahlungen für Vorjahre zu leisten sind usw.). Die Einsichtnahme in Vermieterunterlagen oder die Anforderung von Kopien stößt jedoch regelmäßig nicht auf besondere Begeisterung bei Vermietern. Viele Mieter gehen davon aus, daß es besser ist, keine solche Forderungen zu stellen, um sich den Vermieter gewogen zu halten. Da sich auf Teilmärkten inzwischen eine stärkere Stellung der Mieter ergeben hat, dürfte die Konkurrenz der Vermieter allerdings in Zukunft dafür sorgen, daß diese bei den Nebenkosten selbst an einem niedrigen Niveau interessiert sind. Falsche Abrechnungen werden daher abnehmen. Das Vorgehen der Vermieter gegen überhöhte Wasserpreise in Berlin deutet bereits in diese Richtung.

Rechtsanwalt Matthias Winkler, Berlin